Der Dichter Klaus Groth

Klaus Johann Groth, * 24. 4. 1819 Heide, † 1. 6.1899 Kiel; Grabstätte: Kiel- Südfriedhof. - Lyriker, Erzähler und Publizist.

Groth gilt als der eigentliche Begründer der neuniederdeutschen Literatur. Als Sohn eines Müllers lernte er früh die agrarisch geprägte Kultur seiner Heimat Dithmarschen kennen. Mit 14 Jahren begann er eine Schreiberlehre und wechselte mit 18 auf das Lehrerseminar in Tondern. Sein Wunsch zu studieren ließ sich aufgrund der bescheidenen finanziellen Möglichkeiten der Familie nicht verwirklichen. 1841 kehrte er nach Heide zurück und trat eine Lehrerstelle an einer Mädchenschule an. 1847 erlitt Groth, der zeitlebens kränkelte, einen körperlich-seelischen Zusammenbruch. Er quittierte den Schuldienst und weilte bis 1853 zur Genesung auf Fehmarn, wo seine Gedichtsammlung Quickborn entstand.

Die breite Resonanz, die Groths Lyrik in ganz Deutschland fand, hing zunächst sicher mit den politischen und militärischen Ereignissen der Jahre zwischen 1848 und 1850 zusammen. Der Ausbruch des deutsch-dänischen Kriegs ließ vor allem im Bürgertum eine Welle nationaler Begeisterung entstehen. Groths sentimentale plattdeutsche Lyrik aus dem Grenzgebiet fiel auf fruchtbaren Boden. Er gelangte allmählich zu materiellem Wohlstand und unternahm nun größere Bildungsreisen. 1853 siedelte er nach Kiel über, wo er mit dem befreundeten Sprachwissenschaftler Karl Müllenhoff eine plattdeutsche Orthographie erstellen wollte. 1856 auf Betreiben Arndts mit der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn ausgezeichnet, konnte sich Groth 1858 in Kiel habilitieren; er kam jedoch über den Status eines Honorarprofessors für deutsche Sprache und Literatur nicht hinaus.

Groths Hauptwerk, der Quickborn, erschien allein bis 1857 in sieben ständig erweiterten und veränderten Auflagen (ein zweiter, auch Prosa umfassender Teil von 1871 blieb an Originalität und sprachlicher Dichte weit zurück). Seine Natur- und Stimmungsgedichte suchen die Idylle vorindustrieller Zeiten, als Wohn- und Arbeitswelt noch nicht getrennt und soziale Bindungen durch die Dorfgemeinschaft und die Großfamilie geprägt waren. Vergangenheitssehnsucht mit melancholischen Untertönen spricht aus vielen seiner überarbeiteten Volkslieder und an mündlicher Tradition alter Stoffe anknüpfenden Balladen. Vertont wurden seine Texte u.a. auch von Brahms.

Groths sprachlich und stilistisch ausgefeilte Mundartgedichte, die am Vorbild von Burns und Hebel orientiert sind, haben bis in die Gegenwart hinein Nachahmungen gefunden. In der niederdeutschen Lyrik beherrschte jahrzehntelang der so genannte Grothismus die literarischen Szene. Groth idealisiert bewusst die dörfliche Welt seiner Heimat und versucht das Niederdeutsche zu einer Literatursprache auszubauen, in der auch und gerade ernsthafte Themen abgehandelt werden sollten. Hierüber kam es zum Streit mit Fritz Reuter, der sich schwankhafter Derbheiten nicht enthielt und den oft skurrilen Humor der plattdeutsche Bauern nachzeichnete, was Groth als Abwertung der niederdeutschen Sprache und Kultur verwarf (Briefe über Hochdeutsch und Plattdeutsch. Kiel 1858). Er verstand sich als Vorkämpfer einer niederdeutschen Bewegung, die zur Erneuerung der deutschen Geisteswelt entscheidende Beiträge zu leisten hat. Reuter, der derartigen ideologischen Programmen eher fern stand, orientiere sich hingegen allzu sehr am Hochdeutschen. Die Polemik wurde vor der Öffentlichkeit beigelegt, Groth verhielt sich jedoch weiterhin reserviert gegenüber dem bald viel erfolgreicheren Dichterkollegen.

Die kulturpolitischen Aktivitäten gingen immer stärker zu Lasten seiner literarischen Produktion. Einige Gedichte, kurze plattdeutsche Prosastücke, zumeist tragisch-stimmungsvolle Dorfgeschichten, prägen Groths Spätwerk, das fast nur noch innerhalb der engen Grenzen der niederdeutschen Literaturszene rezipiert wurde. Dennoch hat er die sogenannte niederdeutsche Bewegung stärker geprägt als Reuter. Sein Bild vom »niederdeutschen Menschen« und dessen vorbildhafter Gefühls- und Gedankenwelt beeinflusste Generationen plattdeutscher Schriftsteller.

WEITERE WERKE:
Vertelln. 2 Bde., Kiel 1855-59 (E.en).
Voer de Goern. Kinderreime alt und neu Lpz. 1858.
Rothgeter Meister Lamp un sin Dochder. Hbg 1862 (L.).
Über Mundarten und mundartige Dichtung Bln. 1873.
Ut min Jungsparadies. Dree Vertelln. Bln. 1876.
Lebenserinnerungen. Hg Eugen Wolff. Kiel 1891.
Ges. Werke. 4 Bde., Kiel 1893.
Sämtl. Werke. Hg. Ivo Braak und andere 8 Bde., Flensburg 1952-65 (mit Biogr.).Jörg Schilling

Quelle:
[Autoren- und Werklexikon: Groth, Klaus, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 9: Killy Literaturlexikon, S. 7095 (vgl. Killy Bd. 4, S. 387 ff.)]